Unsicherheit mit Sicherheit

Sicher ist, dass nichts sicher ist. Wie Unternehmen die Gewissheit des Unbekannten für die robustere Gestaltung von Materialbedarfsplanung und Lieferketten nutzen können, berichtet Sophie Parragh aus Theorie plus Praxis.

Wer Unsicherheiten nicht berücksichtigt, plant schlechter, als er eigentlich müsste. Eine Erkenntnis, die der Grundlagenforschung in der Entwicklung von Optimierungsalgorithmen zwecks Materialbedarfsplanung spannende Ansätze bietet. Vor allem angesichts des Pandemiegeschehens sowie der immer größer werdenden Menge vorhandener Daten rückt die nachhaltigere samt robustere Gestaltung der Supply Chains verstärkt in den Fokus. Sophie Parragh, Vorständin des Instituts für Produktions- und Logistikmanagement an der JKU Johannes Kepler Universität Linz, über den Stand der Wissenschaft nebst Implikationen in der Praxis.

Der frühe Vogel

Moderne Lieferketten sind komplexe Systeme. Zulieferer, Abnehmer sowie alle anderen Partner sind global vernetzt, Lieferzeiten unter Umständen lang, Probleme in der Beschaffung an der Tagesordnung. Disruption verschiedenen Ausmaßes in der Supply Chain hat einen Impact auf die Materialbedarfsplanung und bedarf eines Neudenkens verschiedener Sourcing-Entscheidungen. In Kooperation mit der Fachhochschule Steyr entwickelt die Johannes Kepler Universität Linz daher aktuell ein Simulationsmodell für Optimierungsverfahren mit dem Ziel, möglichst bald Unsicherheiten über Bevorstehendes einzubeziehen.

Prescriptive plus Predictive

Sophie Parragh

Planung ist einfach, wenn alle Faktoren bekannt sind. Die Realität hält jedoch stets unvorhersehbare Ereignisse samt Entwicklungen bereit. „Der Einsatz der Kombination von Predictive plus Prescriptive Analytics ist unerlässlich, um möglichst verlässliche Szenarien zu modellieren“, führt Sophie Parragh aus. Unternehmen sollten folglich zum einen aus Daten lernen, mithilfe maschinellen Lernens, Data Mining und anderen statistischen Methoden den fundierten Blick in die Zukunft wagen. Zum anderen benötigt es aber auch zuverlässige Handlungsempfehlungen, um frühzeitig zu agieren, Imponderabilien zu verhindern oder Trends in die gewünschte Richtung zu beeinflussen.

Daten, Domain, Digitalisierung

Die obligatorische Grundlage verlässlicher Analysen nebst Prognosen sind valide Daten, die durchgehend erhoben, gespeichert sowie in zielorientierte Information umgewandelt werden. Um entsprechende Szenarien abzuleiten und in der Strategie perfekt zu übersetzen, benötigt es kombiniertes Fach- plus Methodenwissen, wie die Institutsvorständin betont: „Für Unternehmen ist es besonders wichtig, dediziert Schnittstellen zwischen Supply Chain Management und Data Mining-Methoden zu schaffen“. Gelebte Digitalisierung ohne Medienbrüche oder Schnittstellenverluste bildet die Klammer aller Optimierungsmaßnahmen.

Historisch in die Zukunft

Das Lernen aus historischen Daten sowie die Nutzung von Erkenntnissen aus anderen Ausnahmesituationen ist zukunftsweisend hinsichtlich resilienter Warenflüsse. Im Falle der aktuellen Ausnahmesituation war der Spielraum für eine akute Optimierung der Lieferketten äußerst begrenzt. Sophie Parragh ist jedoch überzeugt, dass bereits im Vorfeld teilweise Vorkehrungen wie eine Bestandserhöhung krisenbedingt besonders gefragter Güter getroffen hätten werden können. Zudem bieten optimale Planungsszenarien in der Zukunftsbetrachtung wichtige Anhaltspunkte zur nachhaltigeren Ausprägung der Supply Chains in Bezug auf Lohngestaltung, Arbeitsbedingungen nebst Umweltfreundlichkeit.

Ideelle Partner der Kompetenzvernetzung Österreichs im Sektor Logistik